Reis

Reis ist die Basis vieler italienischer Risotti und anderer leckerer Reisgerichte wie Sartù, Arancini, Supplì usw. (vgl. alle unsere Reisgerichte). Grund genug, ihn etwas näher zu beleuchten und zu fragen, wo er herkommt, wo er wächst und vor allem: Welche Sorten mit welchen Qualitäten gibt es – und wozu nutzt man sie?

reispflanzen

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Geschichtlich gesehen können wir aufgrund archäologischer Funde davon ausgehen, dass unser heutiger Reis (Oryza sativa) seit rund 8200 Jahren bekannt ist. Von China aus breitete sich die Kulturplanze langsam nach Westen aus. Europa kam wohl erstmals in Kontakt mit Reis durch die Feldzüge Alexanders des Großen in Asien im 4. Jahrhundert v. Chr., als man in Mesopotamien die Pflanze kennenlernte. Im antiken Rom war Reis bekannt, jedoch nutzte man ihn nicht als Nahrungsmittel, sondern verwendete ihn in sehr begrenztem Ausmaß in Form eines Suds für medizinische Zwecke. Mit dem Zerbrechen des römischen Reichs geriet Reis zunächst einmal in Vergessenheit und wurde erst im 8. Jahrhundert durch die Mauren nach Spanien gebracht. Im 9. Jahrhundert gelangte er durch die Araber nach Sizilien, wo bis zum Risorgimento (1815 bzw. 1848 bis 1870) in größerem Umfang Reisanbau stattfand. Im italienischen Norden wurde Reis wohl erstmals in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts angebaut. Galeazzo Sforza, Herzog von Mailand, lies bereits 1470 auf seinem Gut Cassolnovo in der Nähe von Vigevano in der Provinz Pavia Reis anbauen. Während der von 1482 bis 1499 währenden Tätigkeit Leonardo da Vincis am mailänder Hof des Herzogs Ludovico Sforza (il Moro, Nachfolger des Galeazzo) entwarf Leonardo auch verschiedene hölzerne “Maschinen”, die bei der Reisbewässerung zum Einsatz kamen und deren Nachbauten heute im Museum Muliono di Mora Bassa in Vigevano (PV) besichtigt werden können.

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Hölzerne Maschine von Leonardo da Vinci (Nachbau im Museum Muliono di Mora Bassa)

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Attribution: Mit freudlicher Genehmignung des Museum Muliono di Mora Bassa

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Reisanbaugebiete in Italien
Reis braucht zum Wachstum bekanntlich viel Wasser, aber auch entsprechende klimatische Bedingungen, die idealerweise in der Po-Ebene vorliegen. Hier konzentriert sich denn auch die italienische Reisproduktion, wobei der Hauptanteil der nationalen Produktion auf die Regionen Piemont (51 %, besonders in den Provinzen Vercelli und Novara) und Lombardei (43%, besonders in den Provinzen Pavia und Mailand) entfällt.[1] Mit der dabei produzierten Menge ist Italien in Europa der größte Reisanbauer: Mit 220.027 ha Anbaufläche[2] liegt Italien mit 46 % der europäischen Reisanbauflächen[3] deutlich vor dem zweitplatzierten Spanien (25 %) und kann den hergestellten Reis gar nicht allein verbrauchen: 66 % der italienischen Reisproduktion werden exportiert.[4] Dieser geht übrigens kaum nach Deutschland: Unter den EU-Importeuren steht Deutschland unter Berücksichtigung seiner Bevölkerungszahl eher auf den hintersten Plätzen.[5]

canale cavour

Daran, dass Reis viel Wasser braucht, hatten wir schon erinnert. Dieses ist aber auch in der Po-Ebene nicht einfach so vorhanden. Zum Teil bedurfte es großer Anstrengungen, um zum Reisanbau geeignete Ebenen mit entsprechenden Wassermengen versorgen zu können. Das größte in dieses Zusammenhang zu nennende Projekt war wohl der Bau des Canale Cavour. In der Rekordzeit von nur drei Jahren wurde 1863 bis 1866 zwischen dem Städtchen Chivasso und dem nordöstlich gelegenen Galliate ein 85 km langer Kanal gebaut, der Wasser vom Po in den Ticino ableitet, wodurch ca. 300.000 ha bewirtschaftetes Land so bewässert wird, dass dort Reisanbau möglich wurde. Die Schleuse bei Chivasso gehört zu den spektakulärsten Ingenieursbauten der Zeit und überzeugt auch ästhetisch durch ihre aus 21 Bögen gebildeten Arkade.

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Schleuse des Canale Cavour bei Chivasso (Holzschnitt von 1899)

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Wie sieht es nun mit den im Handel angebotenen Sorten aus? Was sind Arborio, Carnaroli, Roma, Vialone usw.? Dazu müssen wir etwas weiter ausholen und uns mit der Gesetzeslage, Klassen und Gruppen beschäftigen. Lange galt in Italien die aus den 50er Jahren[6] stammende Unterscheidung der Reissorten nach ihrer Länge. Dabei unterschied man vier Klassen: comune, semifino, fino und superfino, wobei comune die kürzesten (und rundesten), superfino hingegen die längsten (und schlanksten) Sorten enthielt. Diesen Klassen wurden idealtypische Verwendungszwecke und Sorten zugewiesenen, wie z.B. (um nur einige zu nennen):
– comune: Balilla, Cripto, Selenio (für Suppen und Süßspeisen)
– semifino: Lido, Marchetti, Romeo, Rosa Marchetti, Vialone nano (für Antipasti, Aufläufe)
– fino: Ribe, S. Andrea, Ronaldo, Vialone nero (für Risotti)
– superfino: Arborio, Baldo, Carnaroli, Roma, Volano (für Risotti)
Diese Klassifizierung musste aufgegeben werden (wenngleich sie unter der Hand auf vielen Webseiten[7] fortlebt, weshalb wir sie hier auch nennen) zugunsten einer EU-weiten Klassifizierung, die im Bemühen einer europäischen Einheitlichkeit und damit Transparenz des Reismarktes 2013 erlassen worden war.[8] Nunmehr wird nicht nur nach Länge des Reiskorns differenziert, sondern auch das Verhältnis von Länge und Breite des Korns ist ein Merkmal zur Einsortierung. Diese neue Klassifizierung enthält folgende Klassen:
reis tabelle

Ein Reiskorn der Klasse Rund hat also eine Länge von unter 5,2 mm und ein Verhältnis von Länge zu Breite unter 3 mm, wohingegen ein Reiskorn der Klasse Lang A eine Länge von über 6,0 mm und ein Verhältnis von Länge zu Breite unter 3 mm hat. Demnach sind die bekannten Reissorten Arborio und Carnaroli aufgrund ihrer Beschaffenheit in die Klasse Lang A einzuordnen. In die Klasse Rund gehören hingegen Sorten wie Balilla, Cripto und Selenio und in die Klasse Mittel Vialone nano. Italienische Reissorten der Klasse Lang B gibt es meines Wissens nicht, denn diese beinhaltet eher asiatische Reissorten wie Basmati, die der Gattung Oryza satvia indica angehören, wohingegen man in Italien runde bis mittellange Sorten der Gattung Oryza satvia japonica schätzt.

Im Rahmen seiner nationalen Gesetzgebung hat Italien dieses System allerdings weiter differenziert. Neben den Klassen wurden von der Nationalen Reis-Behörde (Ente Nazionale Risi) für sechs bekannte Reissorten Gruppen geschaffen, wobei jeweils einer dieser Reissorten sehr ähnliche weitere Reissorten zugeordnet wurden:

Gruppe Arborio Klasse Lang A, enthält neben dem namensgebenden Arborio 8 weitere Sorten wie Volano, aber auch solche mit kryptischen Bezeichnungen wie CL388 oder CL510[9]
Gruppe Carnaroli Klasse Lang A, enthält neben dem namensgebenden Carnaroli 9 weitere Sorten wie Caravaggio
Gruppe Roma / Baldo Klasse Lang A, enthält neben den namensgebenden Roma und Baldo 11 weitere Sorten wie Cammeo
Gruppe Ribe Klasse Mittel oder Lang A, enthält neben dem namensgebenden Ribe 51 (!) weitere Sorten wie LunaCL
Gruppe S. Andrea Klasse Lang A, enthält neben dem namensgebenden S. Andrea mit Allegro nur eine weitere Sorte
Gruppe Vialone Nano Klasse Mittel, enthält nur den namensgebenden Vialone Nano

 

Was bedeutet das für uns Verbraucher? Konkret heißt dies, dass, wenn wir z.B. einen Reis mit dem Aufdruck Carnaroli kaufen, wir unter Umständen gar keinen Carnaroli-Reis im Einkaufsbeutel haben, denn der Packungsinhalt kann auch ausschließlich aus einer anderen Reissorte der gleichen Gruppe bestehen, also z.B. Caravaggio-Reis. Die einer Gruppe zugeordneten Reissorten dürfen nämlich nach dem Gesetz nicht unter ihrem Eigennamen (z.B. Caravaggio) verkauft werden, sondern müssen unter dem jeweiligen Gruppennamen angeboten werden.[10] Wohlbemerkt: Caravaggio oder eine der acht weiteren Sorten der Gruppe Carnaroli sind qualitativ keine schlechteren Sorten als die Carnaroli-Sorte selbst, aber eben auch kein echter Carnaroli. Ob diese Regelung nun verbraucherfreundlich ist oder nicht, mag dahingestellt sein. Einerseits erleichtert sie dem Verbraucher angesichts der über 270 in Italien angebauten Reissorten[11] die Orientierung. Andererseits: Wer würde schon einen Reis kaufen, bei dem Riso CL388 auf der Packung steht? Da klingt Arborio
doch sehr viel gaumenfreudiger. Aber auch der durch diese Regelung mögliche Verkauf von CL388 als Arborio lässt natürlich Zweifel an der Echtheit des Produkts aufkommen. Diese Zweifel werden noch dadurch verstärkt, dass auch das Mischen von Reissorten begrenzt möglich ist: So kann ein als Arborio angebotener Reis auch ausschließlich aus den Sorten CL388 und CL510 bestehen – Voraussetzung für das Mischen ist nur, dass die Sorten der gleichen Klasse angehören und nicht aus verschiedenen Gruppen stammen.

italienischer reis carnaroli
Carnaroli

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Trotz dieser etwas unübersichtlichen Regelungen ist es auch möglich, das zu bekommen, was auf der Reispackung draufsteht. Dies gilt zunächst für alle Reissorten, die nicht in eine der vorstehend genannten Gruppen eingeordnet sind, denn diese dürfen unter ihrem Sortennamen vermarktet werden. Aber auch die Reissorten, deren Name als Gruppenname fungiert, können mit dem Zusatz classico verkauft werden, wenn sie denn ausschließlich aus der angegeben Reissorte bestehen. Beispielsweise besteht ein Carnaroli classico demzufolge zu 100 % aus der Reissorte Carnaroli. Voraussetzung ist allerdings, dass (höhere) gesetzlich definierte Standards eingehalten werden.

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Reisfelder im Piemont

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Wie wir gesehen haben, beschreiben Klassen und Gruppen äußere Merkmale von Reiskörnern, ihre Länge bzw. Breite, und lassen damit für den Verbraucher Verwendungszwecke, auf die wir weiter unten eingehen, erkennbar werden. Es sind aber keine Qualitätsmerkmale, die schwieriger zu erfassen sind. Die Frage, ob ein Reis bio ist oder nicht, lässt sich noch leicht aufgrund der dafür vorgesehenen Produktionsvorgaben erkennen. Faktisch bedeutet dies, dass bei einem konventionell mit Unkrautvernichtungsmitteln produziertem Reis das Wasser von den Feldern deutlich früher vor der Ernte abgelassen wird als bei einem Bio-Reis, denn diese Mittel wirken nur auf halbwegs trockenem Boden. Die Konsequenz ist, dass es auf Reisfeldern mit konventioneller Bewirtschaftung kaum Frösche gibt, denn die brauchen das Wasser. Dies bringt zwar tendenziell das ökologische Gleichgewicht ins Wanken, hat aber zunächst einmal für den Reis – abgesehen von den durch die Unkrautvernichtungsmittel aufgenommenen Chemikalien – keine unmittelbare Konsequenz. Entscheidend ist aber, was nach der Ernte mit dem Reis passiert. Nach dem Entfernen der Spelzen wird (sofern der Reis nicht als Naturreis verkauft werden soll) der Reis geschält, d.h. durch Schleifen werden Silberhäutchen und Keimling vom ungeschälten Reis entfernt und übrig bleiben weiße Reiskörner. Da im Silberhäutchen aber wichtige Nährstoffe vorhanden sind, ist beim Schälen nun entscheidend, wie intensiv die Körner geschält werden. Dabei gibt es unterschiedliche Intensitätsgrade, doch darüber enthalten die Aufdrucke der Verpackungen meist keine Informationen. Allenfalls wird damit geworben, dass das Schälen nach traditioneller Methode mit Mahlsteinen erfolgte. Auch über die Lagerzeit der Körner erfahren wir meist nichts. Vor dem Schälen sollte der Reis nämlich möglichst lange gelagert werden, denn während dieser Zeit reift er nach, vergrößert sich z.B. der Stärkeanteil. Nur in Ausnahmefällen, wie dem zum 160sten Firmenjubiläum auf den Markt gebrachten Carnaroli 160 anni verde des großen italienischen Reisproduzenten Scotti, wird auf solche Merkmale hingewiesen. Im Umkehrschluss kann man folgern, dass das Fehlen solcher Hinweise bedeutet, dass ein Reis ein ganz gewöhnlich industriell hergestelltes Produkt ist und damit solchen Qualitätsansprüchen nicht gerecht wird.

riso scotti
18 Monate gelagert und mit Mahlsteinen geschält.
2020 auf dem Markt eingeführtes Produkt der Firma Scotti.

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Attribution: Mit freundlicher Genehmigung der Firma Scotti

Einen Anhaltspunkt, der darüber Auskunft gibt, ob ein Reis ein besonderer Qualitätsreis ist, gibt es doch, nämlich nämlich die Prädikate DOP und IGP. Dies sind – wie bereits auf unserer Seite Herkunfts- und Qualitätssiegel beschrieben – Qualitätsstandards, denen ein Produkt genügen muss, um ein entsprechendes Prädikat führen zu können. Italien kennt einen DOP-Reis, den Riso di Baraggia Biellese e Vercellese aus dem Piemont, und zwei IGP-Produkte: den Riso del Delta del Po (Emilia-Romagna und Venetien) und den Riso Vialone Nano Veronese (Venetien). Auffällig ist zunächst, dass nur der Letztgenannte mit dem Namen einer Reissorte verbunden ist, allerdings mit der Auflage, dass er geographisch aus dem veroneser Raum kommen muss. Die anderen beiden Prädikats-Produkte sind hingegen nicht an eine botanische Reissorte gebunden und insofern können die entsprechenden Auszeichnungen mit verschiedenen Reissorten verknüpft sein. Für den Riso di Baraggia Biellese e Vercellese sind dies bspw. die Sorten Arborio, Baldo, Balilla, Carnaroli, S. Andrea, Loto und Gladio. Da europäisches Recht Vorrang vor Landesrecht besitzt, kommt es im Zusammenhang mit DOP und IGP zu noch einer Besonderheit. Während, wie wir oben gesehen haben, “normaler” Volano-Reis nicht unter dem Namen Volano verkauft werden darf, sondern unter dem Namen der Gruppe, der er zugeordnet ist, angeboten werden muss, hier also Arborio-Reis, gilt dies nicht für Reissorten, die den genannten DOP- oder IGP-Standards genügen. Ein im Po-Delta produzierter Volano-Reis kann deshalb unter dem Namen Volano IGP Delta del Po vermarktet werden.

Was sind nun aber die Merkmale der wichtigsten reinen (nicht: Gruppen-) Sorten?

Carnaroli, aus der Gruppe Lang A, gilt als ein optimaler Reis für Risotto, aber – mit Ausnahme von Süßsspeisen – auch für alle anderen Arten der Reiszubereitung. Die langen, aber nicht zu schmalen Körner haben aufgrund ihrer etwas rauen Oberfläche die Fähigkeit, Gewürze gut aufnehmen zu können. Vor allem aber bleiben sie aufgrund des relativ hohen Amylose-Anteils an der pflanzlichen Stärke während des Kochens fest, so dass der Reis durch die feste Textur schön al dente bleibt. Der Ertrag im Anbau ist nicht ganz so hoch wie bei vergleichbaren Reissorten, so dass er meist leicht über dem Preis anderer Sorten liegt. Erfunden wurde Carnaroli 1945 durch Kreuzung der Sorten Vialone Nero und Lencino, u.z. durch Ettore de Vecchi, den Eigentümer des Reisanbaus von Paullo. Dazu gibt es eine nette Legende: Als es mit der Kreuzung nicht so recht klappen wollte, beschwor angeblich de Vecchi einen Untergebenen, er solle bei seinen Bemühungen nicht aufgeben, und versprach, im Erfolgsfalle den Reis auch nach ihm zu benennen. Einer anderen Theorie zufolge soll der damalige Leiter der Nationalen Reis-Behörde (Ente Nazionale Risi) ebenfalls Carnaroli geheißen haben und käme somit ebenfalls als Namensgeber in Frage. Mengenmäßig steht der reine Carnaroli erst an elfter Stelle der angebauten Sorten.[12]

Arborio, ebenfalls aus der Gruppe Lang A, ist vermutlich die bekannteste italienische Reissorte. Sie zeichnet sich besonders durch die unübertroffene Länge der Reiskörner aus. Die Sorte entstand 1946 im namensgebenden Städtchen Arborio in der Provinz Vercelli (Piemont) durch Kreuzung der heimischen Sorte Vialone und der aus den USA importierten LadyWright-Sorte, welche genmäßig für die besondere Länge der Arborio-Körner verantwortlich zeichnet. Arborio enthält nicht ganz so viel Amylose wie der Carnaroli (18-19 % gegenüber 22-23 %), ist jedoch wie dieser ebenfalls sehr kochfest und damit bestens für Risotto u. ä. geeignet. Bemerkenswert ist seine Fähigkeit, das Fünffache seines Eigengewichts an Flüssigkeit aufnehmen zu können. Der klassische Arborio wird heutzutage aufgrund seiner Anfälligkeit für Pflanzenkrankheiten zunehmend verdrängt durch andere in der Gruppe Arborio zusammengefasste Sorten wie Volano, die jedoch ansonsten ziemlich ähnliche Eigenschaften wie der klassische Arborio aufweisen. Die Sorte Volano steht mengenmäßig auf Platz fünf der in Italien angebauten Sorten.

Roma / Baldo gehören ebenfalls zur Gruppe Lang A. Während Roma 1962 aus einer Kreuzung von Balilla und R77 hervorging, ist Baldo (Bild) erst 1964 aus einer Kreuzung von Arborio und Stirpe136 entstanden. Es sind eigentlich verschiedne Reissorten, doch aufgrund ihrer sehr großen Ähnlichkeit werden sie immer (auch rechtlich) gemeinsam behandelt. Baldo enthält 17 % Amylose und besitzt eine gute Fähigkeit, Gewürze aufzunehmen. Man benutzt ihn gern für Risotti, Aufläufe und Reissalate.

Vialone Nano. Nano heißt auf Deutsch Zwerg, und damit ist die relative Länge seines Korns angedeutet, weshalb er in die Klasse Mittel einzuordnen ist. Es handelt sich um eine Reissorte, die 1939 aus den Sorten Nano und Vialone Nero gekreuzt wurde, und zwar in Vercelli im Piemont. Sie fand dann allerdings v.a. in der Provinz Verona Verbreitung, wo sie sich zum Vialone Nano Veronese (IGP) entwickelte. Trotz des Umstands, dass das Korn vergleichsweise eher rund als lang ist, gilt der Vialone Nano als guter Risotto-Reis, da er kochfest ist und die Flüssigkeit gut aufnimmt.

S. Andrea gehört zur Gruppe Lang A und wurde 1974 ebenfalls in Vercelli entwickelt. Seinen Namen verdankt er der dortigen Hauptkirche S. Andrea. Er hat einen relativ geringen Amylose- und umgekehrt einen relativ hohen Amylopektin-Anteil, doch gerade das macht ihn zum relativ universell verwendbaren Reis: Überall dort, wo Reis gut kleben muss (z.B. in Reisbällchen wie Arancini oder Supplì), ist er gut einsetzbar. Auch für Risotti ist er bedingt geeignet, wenn man den Kochprozess gut überwacht und beendet, wenn der Reis al dente ist.

vercelli sant'andrea
Vercelli: Sant’Andrea

Angesichts der vielen angebauten und im Handel erhältlichen Reissorten stellt sich die Frage, welchen Reis man für welchen Zweck am besten benutzt. Manche Reissorten sind Allrounder, manche für einen speziellen Zweck sehr gut geeignet. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit (und das Vorhandensein abweichender Meinungen) empfehlen wir nachstehend für verschiedene Einsatzbereiche einige Reissorten:

Risotti Arborio, Carnaroli, Roma / Baldo, Vialone Nano
in bianco[13] Arborio, Carnaroli, Cripto, Ribe
mit Sugo Arborio, Carnaroli, Cripto, Ribe
Antipasti Arborio, Carnaroli, Cripto, Ribe, Roma / Baldo
Aufläufe[14] Cripto, Ribe, Roma / Baldo, Selenio
Frittiertes[15] Cripto, Ribe, Roma / Baldo, S. Andrea
Suppen Balilla, S. Andrea, Selenio
Süßspeisen Balilla, Selenio

 

riso amaro
Standbild aus Riso amaro

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Abschließend sei daran erinnert, dass Reis auch gepflanzt und geerntet werden muss, bevor er ins Risotto kommt. In Zeiten vor der Automatisierung der Landwirtschaft war das eine mühselige Arbeit, die in der Po-Ebene vor allem von Frauen, den sogenannten mondine verrichtet wurde. Das Schicksal dieser Reisarbeiterinnen ist (neben einer Liebesgeschichte) Thema von Guiseppe de Santis’ neorealistischem Film Riso amaro (Bitterer Reis) von 1949. Die mondine galten der italienischen Arbeiterbewegung als Vorbild, da sie in ihrer lega gut gewerkschaftlich organisiert waren und sogar den 8-Stunden-Tag durchsetzen konnten. Wikipedia enthält eine Seite zum Film, auf YouTube gibt es einen Trailer und auf Facebook sogar den ganzen Film auf Italienisch (Dank an Vera für den Tipp!). Und das von den Reisarbeiterinnen gesungene Lied Saluteremo Il Signor Padrone kann man in der Interpretation von Francesco De Gregori und Giovanna Marini auch hören.

 

Alle auf Authentisch-Italienisch-Kochen.de veröffentlichten Rezepte, die Reis enthalten, findest du unter der Zutat Reis.

 

 

Fußnoten    (↵ zurück zum Text; ggf. geschlossenen Text zunächst öffnen)

  1. 2019, vgl. https://www.foodclub.it/articoli/pillole-di-riso-ep-2-il-riso-in-italia (Letzter Zugriff: 16.02.2023)
  2. 2019, vgl. ebd
  3. 2019, vgl. https://www.foodclub.it/articoli/pillole-di-riso-ep1-origini-specie-e-sottospecie (Letzter Zugriff: 16.02.2023)
  4. Vgl. https://www.foodclub.it/articoli/pillole-di-riso-ep-3-varieta-di-riso-coltivate-in-italia (Letzter Zugriff: 16.02.2023)
  5. Vgl. Ente Nazionale Risi (Letzter Zugriff: 16.02.2023)
  6. Legge n. 325/1958
  7. Z.Bsp. https://www.my-personaltrainer.it/nutrizione/riso1.html (Letzter Zugriff: 16.02.2023)
  8. EU-Verordnung 1308/2013
  9. Die Abkürzung CL steht für Clearfield, eine amerikanische Agrar-Technologie
  10. Vgl. https://rsr.bio/classi-merceologiche-del-riso-commercializzato/ (Letzter Zugriff: 16.02.2023)
  11. Die Seite https://www.risoitaliano.eu/varieta-di-riso/ listet 273 Sorten (Letzter Zugriff: 16.02.2023)
  12. Vgl. Anm. 4
  13. So nennt man gekochten Reis, dem allenfalls ein Stich Butter oder ein Faden Öl zugesetzt wird.
  14. timballi, sformati
  15. wie arancini, supplì

Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 5. Januar 2024
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